DAAD Klimaportfolio (2/3): Klimawissen stärken

Forschende am Center of Excellence in Marine Science (CEMarin) in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá beschäftigen sich mit der nachhaltigen Nutzung von Ozeanen, Meeren und Küstenregionen.

Internationale Wissenschaftskooperationen erweitern das Wissen über Ursachen und Lösungen des Klimawandels und spielen damit eine zentrale Rolle für die Erreichung der klima- und umweltpolitischen Ziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Das DAAD-Klimaportfolio zeigt, wie der DAAD mit seinem Förderangebot die internationale Zusammenarbeit stärkt und für Individuen und Institutionen über Fachdisziplinen und Ländergrenzen hinweg in drei Handlungsfeldern aktiv ist: die Förderung von Wissenserwerb (1), Stärkung von Klimaforschung (2) und Anwendung von Klimawissen (3).

Der vorliegende Beitrag ist der zweite Teil einer dreiteiligen Artikelserie und widmet sich dem zweiten Handlungsfeld: der Stärkung von Klimaforschung. Dazu berichten wir von der Arbeit des kolumbianischen Center of Excellence in Marine Science (CEMarin) zur Blue Economy, der nachhaltigen Nutzung von Ozeanen, Meeren und Küstenregionen. Den ersten Teil unserer Serie zur Förderung von Wissenserwerb können Sie hier nachlesen.

Andrés Fernando Osorio Arias ist viel unterwegs in diesen Tagen. Der Meeresküstenforscher aus Bogotá begleitet den Klimadialog zwischen der EU und Kolumbien zu naturbasierten Klimalösungen in Küstengebieten. Osorio organisiert Workshops und Trainingskurse für Forscherinnen und Forscher aus aller Welt und kümmert sich im Rahmen des kolumbianischen Netzwerks für Mangroven und Ästuare (RedCEM) um die Feldforschung an der pazifischen und karibischen Küste des Landes. „Unsere Themen sind sehr vielfältig, von Bodenerosion über Korallenriffe, Wellen und Mangroven bis hin zu Biodiversität“, erklärt er. „Mit unserer integrativen und interdisziplinären Meeresforschung wollen wir zum Schutz der Ozeane und ihrer nachhaltigen Nutzung beitragen – unter anderem mit unserer Arbeit zur Blue Economy.“

Osorio ist Direktor des Center of Excellence in Marine Science (CEMarin) in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá, das als eines von fünf Exzellenzzentren weltweit vom DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert wird. Laut Klimaportfolio des DAAD verbindet CEMarin interdisziplinäre Meeresforschung mit Postgraduiertenausbildung und internationalen Netzwerken in verschiedenen Disziplinen der Natur- und Sozialwissenschaften. Ein wirkungsvolles Instrument hierfür ist die „International Conference on Marine Science (ICMS)“, die im Zweijahresrhythmus ausgerichtet wird.

Andrés Fernando Osorio Arias ist Bauingenieur und hat in Meereswissenschaften und -technologien promoviert. Er ist geschäftsführender Direktor des Center of Excellence in Marine Sciences – CEMarin.

Beim CEMarin-Forschungsschwerpunkt Blue Economy geht es um die nachhaltige Nutzung von Ozeanen, Meeren und Küstenregionen. „Angefangen haben wir vor über zwölf Jahren als Netzwerk von Universitäten und Instituten aus Kolumbien und Deutschland“, erzählt Osorio. Zu den kolumbianischen Universitäten gehören die Universidad Nacional de Colombia, Universidad del Valle, Universidad de Antioquia, Universidad de los Andes und Universidad Jorge Tadeo Lozano, aus Deutschland ist die Justus-Liebig-Universität Gießen und das Bremer Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung ZMT vertreten. „Wir sind immer noch mit ihnen verbunden, aber seit 2015 sind wir eine unabhängige Organisation“, so Osorio. Rund 200 Forscherinnen und Forscher arbeiten in CEMarin, knapp die Hälfte davon sind „Early Stage Researchers“, wie der akademische Nachwuchs dort genannt wird. Längst ist das Center ein Global Player in der internationalen Meeresforschung. Seine Forschungsergebnisse fließen in die Berichte des Weltklimarats IPCC ein, die den aktuellen Sachstand in der Klimawissenschaft zusammenfassen.

Mangroven als Kohlenstoffspeicher

Osorio und sein Team untersuchen insbesondere die Fähigkeit von Meeres- und Küstenökosystemen, große Mengen an Kohlenstoff zu speichern. Das auf diese Weise gebundene CO2 wird auch Blue Carbon genannt. Küstennahe Ökosysteme wie Mangroven, Seegras und Salzwiesen ziehen enorm viel Kohlenstoffdioxid aus der Luft und speichern es. Damit können sie dazu beitragen, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu senken und den Klimawandel abzuschwächen. „Es ist faszinierend, dass Mangroven tatsächlich bis zu viermal mehr Kohlenstoff speichern können als Landwälder“, sagt Ingrid Julieth Estrada Galindo. Sie ist Stipendiatin am CEMarin und schließt gerade ihre Masterarbeit in Meeresbiologie ab. „Noch beeindruckender ist, wie es den Mangroven gelingt, trotz großer Unterschiede in den Bodenbedingungen ähnliche Kohlenstoffvorräte zu erhalten.“

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führen regelmäßige Monitorings durch und erfassen mittels Bodenproben, wie viel Kohlenstoff tatsächlich gebunden wird. Dabei zeigt sich, dass gerade an der kolumbianischen Pazifikküste die Kohlenstoffspeicherung besonders hoch ist. „In dieser Region regnet es sehr viel, deshalb gibt es dort viele alte Mangroven, die ungewöhnlich hoch sind, zum Teil über 30 Meter“, sagt CEMarin-Direktor Osorio. „Weil die Wurzeln dann auch tiefer in den Boden reichen, haben wir – abweichend von der Standard-Methode – nicht nur Proben aus dem ersten Meter des Bodens entnommen, sondern auch tiefer. Das Ergebnis: Die Kohlenstoff-Speicherung ist drei- bis viermal höher als anderswo auf der Welt. Das ist der wissenschaftliche Beweis, dass die Mangroven am Pazifik ganz besonders wertvoll sind – und unbedingt geschützt werden müssen.“

Gemeinden vor Ort einbeziehen

Möglich ist dies allerdings nur, weil CEMarin auch die Gemeinden vor Ort mit einbezieht, also Natur- und Sozialwissenschaften zusammenbringt. „Wir fahren nicht einfach in die Küstengebiete, sammeln die Daten und kehren dann an den Schreibtisch zurück, um Papiere zu schreiben“, sagt Osorio. „Wir arbeiten mit den Menschen zusammen, die dort leben. Kommunikation ist sehr wichtig. Denn unsere Erfahrung zeigt, dass die Kohlenstoffspeicherung in den Mangroven nur funktioniert, wenn sie im Sozialen verankert ist.“

Konkret heißt das: Osorio und sein Team reisen in die Küstengebiete, sprechen mit den Oberhäuptern der Gemeinden und bauen Vertrauen auf, um für den Schutz der Mangroven zu werben. „Früher haben viele Communitys die Bäume gefällt, etwa um Brennholz fürs Kochen zu bekommen“, erzählt Osorio. „Wir zeigen ihnen, dass Mangroven zur lokalen Wirtschaft beitragen können und ihr Schutz zu einem echten Vorteil wird.“ Zum Beispiel durch Ökotourismus oder nachhaltige Fischerei. Die Gemeinden übernehmen auch das Monitoring der Mangroven und werden dafür von CEMarin bezahlt – eine weitere Einkommensquelle. Auf diese Weise kommen Klimaforschung und Klimaschutz zusammen und ergänzen einander. „Wir binden vor allem die jungen Leute ein“, sagt der Forscher. „Sie sind unsere wichtigsten Akteure.“

 

Ingrid Julieth Estrada Galindo absolviert ein Masterstudium Biologie der Universidad Nacional de Colombia und wird von CEMarin gefördert.

Blue Carbon als Strategie gegen den Klimawandel

Das gilt auch für die jungen Forschenden. Ingrid Julieth Estrada Galindo möchte weiter in dem Themengebiet arbeiten und will darüber promovieren. „Die Forschung über Blue Carbon hilft uns, den Wert dieser Ökosysteme zu schätzen“, sagt sie. „Sie erbringen so viele Ökosystemleistungen, die dem menschlichen Wohlbefinden dienen, deshalb sollten wir ihre langfristige Nachhaltigkeit gewährleisten.“

Auch Julián Prato Valderrama, Doktorand in Meeresbiologie, sagt: „Ich möchte weiterhin das Netzwerk als CEMarin-Forscher mit anderen Forschenden weltweit stärken, um bessere Lösungen für die Welt und unsere Ozeane zu finden. Da Ozeane und marine Ökosysteme so wichtig sind für die Kohlenstoffbindung, ist es sinnvoll, in Blue-Carbon-Strategien zur Anpassung an den Klimawandel und in Klimaschutzstrategien zu investieren, um Lösungen für die Bedürfnisse der Menschen zu finden – ausgehend von den Vorteilen, die diese Ökosysteme bieten.“

Verena Kern (2. Mai 2024)

 


 

 

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